Der Prozess der territorialen Expansion, der in den 1840er Jahren durch die "Manifest Destiny" Kriege stark politisiert worden war, stagnierte zunächst in den politischen Veränderungen der 1850er Jahre und im Bürgerkrieg mit dem anschließenden Wiederaufbau. Von den etwa zwanzig Gelegenheiten, zwischen 1865 und 1889 Territorium in Übersee einzunehmen, wurden gerade einmal sechs wahrgenommen. Von der 25 Gelegenheiten zwischen 1890 und 1908 hingegen 23.
Wissenschaftler debattieren bis heute darüber, was diesen Wandel ausgelöst hat. Einige sehen dahinter einen Drang, das internationale Ansehen der USA als Weltmacht zu festigen. Diese Theorie verbindet sich mit dem Konzept des "klassischen Realismus", der Idee, dass Staaten Macht und Einfluss vergrößern, wenn sich ihnen die Gelegenheit dazu biete, wie es in Europa hunderte Jahre lang der Fall gewesen war. Andere stützen sich auf den "defensiven Realismus": wenn die USA nicht gehandelt hätten, wären ihre internationalen Interessen in Gefahr geraten. Wieder andere sehen ökonomische Motive und die steigende Bedeutung des internationalen Handels hinter dem aufsteigenden Imperialismus des späten 19. Und frühen 20. Jahrhunderts. Die Unsicherheiten in der US Politik werden offenbar, wenn man bedenkt, dass einige Gebiete, die von vielen Amerikanern bereits gefordert wurden, nicht annektiert wurden, obgleich das möglich gewesen wäre (etwa Kuba), während andere, wie die Philippinen in kürzester Zeit ohne nennenswerte Diskussion eingenommen wurden. Ungeachtet dieser Theorien wird deutlich, dass die Expansion der Vereinigten Staaten sich in dem größeren Kontext der expandierenden Europäer in der ganzen Welt entwickelt hat.
Die Expansion in Übersee nach 1890 ging auch mit dem steigenden Einfluss der amerikanischen Navy einher. Der bedeutendste Stratege dieser Zeit war Alfred Thayer Mahan (1840-1914), Oberhaupt des "Naval War College" und Autor des Werks The Influence of Sea Power upon History (1890); er wurde vom Prince of Wales, dem deutschen Kaiser und Theodore Roosevelt bewundert. Mahan konstatierte in Anlehnung an den antiken, griechischen Historiker Thukydides, dass das Überleben einer jeden Großmacht von einer starken Flotte abhing und diese wiederum die Herrschaft über Inseln, die als Stützpunkt der Flotte dienen konnten, benötige.
Dieses Modul legt den Schwerpunkt auf die beiden Hauptgebiete amerikanischer Expansion: Mittelamerika mitsamt der Karibik und den Pazifik. Das Muster der Expansion variierte stark: In einigen Fällen betrieben die USA den Kauf neuer Territorien (wie beispielsweise in Alaska); in anderen Gebieten wiederum unterminierten die amerikanischen "Interessen" die lokalen regierungen und zwangen schließlich zur Annektierung (wie im Falle von Hawaii). Und wenigstens einmal (Samoa) bat die Regierung des Landes um amerikanische Unterstützung und Schutz.